Canyon – B 431

Neudenken des Rissener Canyons und mögliche Auswirkungen und Chancen für Rissen

Anlass unserer Überlegungen:

Hamburg verändert sich. Wie in vielen anderen Großstädten der Welt setzt sich auch in Hamburg langsam die Erkenntnis durch, dass die Grenzen der individuellen Mobilität mit dem PKW erreicht sind. Diese Grenzen können nicht durch noch mehr Straßen verschoben werden. Mehr Fahrspuren bedeutet nicht, dass der Verkehr besser fließt, es führt nur dazu, dass sich Staus breiter aufstellen. Der vorhandene Raum, den die automobile Mobilität in Anspruch nimmt, muss hinterfragt und zum Teil für Neues verwendet werden. Das aktuelle Beispiel ist hier der Berner Heerweg, der von vier auf zwei Spuren zurück gebaut werden soll. Hier wird die gewonnene Verkehrsfläche für den Fahrradverkehr genutzt. Auch andere Verkehrsflächen werden entsprechend neu bewertet und gegebenenfalls einer neuen Nutzung zugeführt. So wird der Bahnhof Altona verlegt, um die riesigen Flächen des alten Bahnhofs mit seinen Gleisanlagen für eine Wohnbebauung freizumachen und so die neue Mitte Altona zu ermöglichen. Dies alles zeigt, dass sich ein neues Denken durchsetzt und alte, falsche oder überholte Infrastrukturmaßnahmen in Frage gestellt werden dürfen und müssen.

Hier in Rissen haben wir eine solche, inzwischen von der Realität überholte, alte, falsche Infrastrukturmaßnahme, den sogenannten Rissener Canyon.

Zur Lage:

Der Canyon zerschneidet Rissen in eine Nord- und Südhälfte, die zwar über mehrere Brücken gut verbunden sind, jedoch besteht keine einheitliche Stadtteilstruktur mehr. Auch der enorme Flächenbedarf verhindert eine sinnvolle Weiterentwicklung Rissens.

Die Straße Am Rissener Bahnhof und der Grete Nevermann Weg sind aufgrund der einseitigen Bebauung wenig attraktiv und erweitern den Canyon im Grunde um zwei weitere Fahrspuren. Der Canyon wurde in den 70-iger Jahren geplant und als ein Teilstück einer vierspurigen Ausfallstraße bis nach Wedel hinein gedacht. Diese Planungen sind überholt. So ist eine vierspurige Weiterführung in der hinteren Wedeler Landstraße nicht mehr möglich, und auch eine sinnvolle Abführung des Verkehrs durch Wedel ist nicht ersichtlich. Es gibt keinerlei Planungen und auch in den langfristigen Bundesverkehrswegeplanungen wird der Weiterbau dieses Stummels nicht erwähnt.

Überlegung:

Es darf hinterfragt werden, ob eine Tempo 80 Rennstrecke durch ein Wohngebiet sinnvoll und notwendig ist. Schaut man genauer auf den Verkehr im Canyon, so stellt man fest, dass der Verkehr in Richtung Wedel spätestens ab der Querung  Klövensteenweg einspurig ist, die andere Spur für die Abbieger nach Rissen wird wenig genutzt. Eine einspurige Verkehrsführung ab der Ampel Sülldorfer Brooksweg würde nur eine geringfügige Verringerung des Verkehrsflusses bewirken, die dann bei einer angemessenen Geschwindigkeit nicht ins Gewicht fällt. In der anderen Richtung ist das Bild vergleichbar: Wo die Einspurigkeit der hinteren Wedeler Landstraße endet, ist für den Verkehrsfluss relativ gleichgültig. Wird der Verkehr nun einspurig in und durch den Canyon geführt, dann ergibt sich die Möglichkeit am Sülldorfer Brooksweg, die Rechtsabbieger aus Rissen ständig und ampelfrei auf die Sülldorfer Landstraße abbiegen zu lassen. Ein in jeder Richtung einspuriger Canyon bringt keine gravierenden Nachteile. Rissen – und damit Hamburg – hätte aber für die Entwicklung des Stadtteils enorme Möglichkeiten. Das Ganze lässt sich mit relativ geringen finanziellen Mitteln erreichen, der bauliche Aufwand für eine Umgestaltung des Canyons ist begrenzt. (Groß gedacht könnte die Kreuzung am Sandmoorweg zusammen mit der Einmündung zu einem modernen Kreisverkehr umgestaltet werden, sodass zwei Ampeln wegfielen.

Karte: Google

Wie könnte es weiter gehen, Entwicklungsmöglichkeiten für Rissen?

Das freiwerdende und tiefliegende Grundstück ist ideal geeignet, Probleme Rissens zu lösen und das Zentrum von Rissen zu stärken. So bietet sich beispielsweise im tief liegendem Bereich (in der Karte schraffiert dargestellt) eine Tiefgarage für Einkaufende in Rissen an. Darüber ist eine geeignete Fläche für ein Fahrradparkhaus für die S-Bahnpendler möglich. Es fehlen gute und geschützte Stellplätze für Fahrräder und mit einem soliden Angebot wird die Kombination Rad-S Bahn als Alternative zum Auto sicherlich attraktiver. Auf Höhe der Straße „Rissener Bahnhof“ sind Ladenlokale möglich, darüber – entsprechend der gegenüberliegenden Bebauung – Wohnungen. An der Ecke Gudrunstraße ist ein kleiner Busbahnhof und vielleicht ein neuer, verbindender Markt- und Veranstaltungsplatz denkbar. (Dies hätte den Vorteil, dass der Stadtteilbus dann durch die Wedeler Landstraße zu dem Endpunkt Gudrunstraße fahren könnte und sich nicht mehr durch die Privatstraße hinter Edeka quälen müsste.) Ein solches Gebäudeensemble könnte sich entlang des „Grete Nevermann Weges“ fortsetzen, sodass beide Seiten der Straße sinnvoll genutzt würden. Das Zentrum von Rissen würde erheblich größer, das Angebot vielfältiger. Die Grundversorgung und die Bedienung der Grundbedürfnisse sind fußläufig, mit dem eRad/Rad oder dem Stadtteilbus erreichbar und abdeckbar. Die Notwendigkeit mit dem Auto zu fahren wird geringer, ein Ziel der Verkehrswende wird erreicht.

Um noch mehr Platz für eine zentrumsnahe Entwicklung zu erreichen, ist eine Überdeckelung des dann sehr viel kleineren „Restcanyons“ mit einer entsprechend niedrigeren Bebauung denkbar. Auch böte dieser kleinere Deckel Platz für einen kleinen Spielpark mit Bolzplatz, Bouleplätze etc. zur Begegnung.

Es wäre angesichts der aktuellen Diskussion auch denkbar, den skizzierten Gebäudekomplex östlich, jenseits der Gudrunstraße, zu verschieben und auf das freiwerdende Grundstück Sporthallen und – aufgesetzt – ein Oberstufengebäude zu bauen. Statt Versiegelung von Flächen im Landschaftsschutzgebiet würden überflüssige Straßenspuren für einen Schulbau genutzt. Die Lage ist optimal: direkt am S-Bahnhof, direkt am Fahrradweg aus Sülldorf, ortsnah zur Stammschule und Bestandteil einer neuen Rissener Mitte. Nichts würde zu einer Umwelt- und Klimaschule besser passen, als auf einer ehemaligen verkehrspolitischen Fehlplanung zu stehen. Dazu wären der Wille und schnelles Agieren mehrerer Behörden notwendig, zeitnah und unbürokratisch den notwendigen verkehrspolitischen Wandel voranzutreiben.